Rheinische Keramik im Hoch- und Spätmittelalter
 

Pingsdorfer Ware - frühes Tischgeschirr

Die Pingsdorfer Ware ist wie keine zweite zu einem Synonym für die rheinische Keramikproduktion des Hochmittelalters geworden. Ihren Namen erhielt sie von dem Ort Pingsdorf bei Brühl.

Tatsächlich wurde die charakteristisch mit rot-brauner Engobe bemalte Ware in vielen rheinischen und auch außer-rheinischen Orten hergestellt. Gut zwei Dutzend Produktionsstätten von Pingsdorfer Ware sind bisher bekannt geworden. Nur in Pingsdorf konnte jedoch bisher genug Material geborgen werden, um einen umfassenden Eindruck vom Spektrum dieser Warenart und ihrer Entwicklung zu gewinnen.

Charakteristika der Pingsdorfer Ware

Repliken von Pingsdorfer Keramik

Unabhängig von der langen Laufzeit der Pingdsdorfer Ware (um 900 bis frühes 13. Jh.) verbinden die Produkte eine Reihe von einheitlichen Merkmalen. Eine verhältnismäßig dichte Sandmagerung (ca. 20-30%) verursacht je nach Temperatur des Brandes ein mehr oder weniger starkes Hervortreten der Magerungspartikel an der Oberfläche, besonders die hochgebrannten Scherben erhalten dadurch eine sandpapierartige Struktur.

Der in Pingdsorf verwendete Ton war wenig eisenhaltig, deshalb ergab sich bei niedriger Temperatur und oxidierendem Brand eine fast schneeweiße Oberfläche. Andere Brennverfahren erzeugten hellgelbe bis rot-orange Farbtöne. Bei reduzierendem Brand erzielten die Töpfer auch weißgraue und blaugraue Oberflächen.

Bei Pingsdorfer Ware wurden alle Sinterungszustände beobachtet. Ihr Spektrum reicht von reiner Irdenware, bei der gar keine Sinterung stattfand, bis hin zu voll entwickeltem Steinzeug. Der Grad der Sinterung steigt jedoch nicht mit fortschreitender Zeit gleichmäßig an, sondern schwankt stark (Sanke 334). Diese Schwankungsbreite dokumentiert die unzureichenden Kontrollmöglichkeiten der zeitgenössischen Brennöfen (vgl. Stephan 84 und Heege 22). Eine intentielle Sinterung wurde auch in Pingsdorf erst mit der Herstellung von Proto-Steinzeug erzeugt.

Formenkunde

Pingsdorfer Amphore (Replik)

Die Amphore oder Tüllenkanne war der in Pingsdorf am häufigsten produzierte Gefäßtyp. Die Grundform der Amphore war ein bauchiges, tropfenförmiges Gefäß mit einer Gießtülle. Ein Wellenfuss oder Standring verleihen eine bessere Standfestigkeit auf ebenen Flächen. Zwei oder drei Bandhenkel konnten die Handhabung erleichtern.

Neben den Amphoren stellten Trinkbecher den zweiten Schwerpunkt im Sortiment der Pingsdorfer Töpfer dar. Sie können nach drei Typen unterschieden werden. Der erste Bechertyp ist im Grunde eine Miniaturausgabe des allseits dominierenden Kugeltopfs. Etwas schlankere Becher erhalten durch einen Standring oder einen Wellenfuß Standfestigkeit. Sturzbecher haben ebenfalls einen runden Boden, aber sind höher und schlanker bei einem glockenförmigen Umriß.

Weitere Produkte aus Pingdsdorf waren Schüsseln und Schalen mit Wellenfuß. Sie begegnen uns entweder in steilwandiger Gestalt mit eingestochenem Rillendekor, oder mit weit ausladendem Rand und bauchig.

Abbildung aus: Lüdtke u.a. S. 1663.

Trinkbecher und Kugeltopf

Auch Kugeltöpfe kommen vor, sie haben entweder einen runden oder linsenförmigen Standboden. Da sie auf der schnell rotierenden Töpferscheibe hergestellt wurden, unterscheiden sie sich deutlich von den von Hand gefertigten Grauwaren. In seltenen Fällen wurden auch die Kugeltöpfe bemalt, meist blieben sie aber unverziert.

Flaschen gehören zu den seltenen Produkten dieser Warenart. Oft haben sie zwei flache Bandhenkel, sie wurden aber auch ohne Henkel gefertigt.

Die Form der vorherrschenden Gefäße (Schenkgefäße, Trinkbecher und Schüsseln) sowie ihre Verzierung weist der Pingsdorfer Keramik eine Verwendung als ästhetisch ansprechendes Tischgeschirr zu.

Verbreitung der Pingsdorfer Ware

Verbreitungskarte

Im Rheinland war Pingsdorfer Keramik ein Allgemeingut. Sie wurde in den Städten, aber auch auf Burgen und sogar in ländlichen Siedlungen in großer Zahl benutzt.

In weiter entfernten Regionen veränderte sich das Bild hin zu einer Importware, die sozial besser gestellten und damit zahlungskräftigeren Schichten vorbehalten blieb.

Von den Fernhandelsplätzen am Rhein in Köln und Duisburg wurde die Ware rheinabwärts verhandelt. Der hohe Anteil von Pingdsdorfer Ware an wichtigen Orten in den Niederlanden spricht für ein reguläres Handelsgut.

Dagegen nimmt die Verbreitung nach Osten hin kontinuierlich ab. Hier standen die schwierigen Landwege einem Handel mit der zerbrechlichen Ware im Weg.

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   © Andreas Sturm 2003

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