Rheinische Keramik im Hoch- und Spätmittelalter
 

Das echte Siegburger Steinzeug: Revolution in der Töfperei

Im Verlauf des 13. Jahrhunderts arbeiteten die rheinischen Töpfer kontinuierlich an der Verbesserung ihrer Produkte, bis es in Siegburg schließlich gelang, den Scherben vollständig zu sintern. Die Herstellung von echtem Steinzeug setzt extrem qualitätvolle Rohstoffe und eine hochentwickelte Ofentechnologie voraus - beide Rahmenbedingungen waren hier gegeben.

Repliken von Siegburger Steinzeug

So wurde das Rheinland zum Ursprung der europäischen Steinzeugproduktion. Hier wurden die ersten Steinzeuge hergestellt, und obwohl viele andere Produktionsorte versuchten, das rheinische Steinzug zu kopieren, blieb der Schwerpunkt der Produktion über Jahrhunderte auf so bekannte Orte wie Siegburg, Langerwehe und wenige andere beschränkt.

Nach moderner Definition ist Steinzeug eine Keramik mit gesintertem Scherben, so dass die Wasseraufname unter 2% liegt. Das Siegburger Steinzeug unterbietet diesen Wert mit 0,4% sogar deutlich! Zudem ist es so hart, dass die Oberfläche mit einer Stahlnadel nicht geritzt werden kann. Der Scherben ist auch gegenüber der Irdenware deutlich stoßunempfindlicher.

Datierung

Auf der Basis der heutigen Forschung lässt sich nicht beurteilen, ob sich der Übergang vom Proto-Steinzeug zum voll gesinteren Steinzeug allmählich oder in nur wenigen Jahren vollzog. Das Enstehen des echten Steinzeugs lässt sich nur grob auf das Ende des 13. Jh. festsetzen. Drei Siegburger Steinzeugkrüge aus Höxter konnten jüngst durch Münzfunde auf das Jahr 1306 als terminus post quem datiert werden. Weitere Krüge wurden kurz vor 1313 auf der Burg Uda, Kr. Kempen-Krefeld verbaut.

Formenkunde

In der Frühzeit des Steinzeugs beschränken sich die Formen fast ausschließlich auf glatte Ränder und stark gebauchte Krüge. Sie werden gefolgt von schwach bauchigen Krügen mit konischem Hals. Schlanke Krüge mit flachen Wellenfüßen und solche mit einziehendem Unterteil, die Frühform der Jacobakanne, bilden eine weitere Gruppe. Erst später treten große Zylinderhalskrüge mit enger Mündung auf.

Als Verzierung genügen dem Steinzeug zunächst Drehriefen und Rillen. Erst im 15. Jahrhundert kommen kleine Reliefauflagen auf dem Gefäß hinzu. Ebenfalls eine reine Verzierung ist der Auftrag einer rotbraunen Engobe, indem ca. die unteren zwei Drittel des Gefäßes in den Farbbrei getaucht wurden. Diese Sitte entwickelt sich im 14. Jh., doch erscheint sie in größerem Ausmaß erst im 15. Jh.

Nicht ungewöhnlich ist dagegen eine orange-rote Flammung, die aber wahrscheinlich ein reines Zufallsprodukt des Brennvorganges darstellt. Sie entstand durch Verbrennungsgase. Eine starke Flammung erhielten aber nur wenige Gefäße eines Brandes, die günstig im Luftzug standen. Offenbar wurde diese zufällige Zeichnung aber als besonders schön empfunden, denn stark geflammte Stücke wurden für den Export bevorzugt, während in Siegburg selbst ungezeichnete Gefäße üblich waren.

Handel und Export von Siegburger Steinzeug

Siegburger Steinzeug im Handel war in drei Qualitätsstufen eingeteilt. Leider sind die Kriterien für diese Güteklassen nicht überliefert worden, doch können sie anhand des Fundguts annähernd erschlossen werden.

Die erste Qualitätsstufe waren offenbar Gefäße mit optisch einwandfreier Erscheinung. In der zweiten Klasse wurden Gefäße verkauft, die leichte Deformationen und andere leichte Mängel aufwiesen, aber dennoch funktionstüchtig blieben.

Nicht mehr verkauft werden durften die Gefäße, die Risse oder Löcher beim Brand davongetragen oder einen Henkel verloren hatten.

Das Hauptverbreitungsgebiet des Siegburger Steinzeugs lag naturgemäß im Rheinland. Die Kölner Kaufleute besaßen das Privileg, Siegburger Produkte unmittelbar vom Produktionsort, der Aulgasse in Siegburg, aufzukaufen. Den Siegburger Töpfern selbst war der Verkauf nur südlich von Andernach rheinaufwärts und nördlich von Düsseldorf rheinabwärts gestattet.

Der regionale Warenverkehr erfaßte Westfalen, Nordhessen und Südniedersachsen; überall dort finden sich kleine Mengen der begehrten Keramik.

Rheinabwärts hatte das Siegburger Steinzeug im 14. und 15. Jh. einen festen und nicht unerheblichen Marktanteil in ganz Belgien und den Niederlanden. Sein Absatz schloss sich unmittelbar an das Protosteinzeug an, ohne dass beide Warenarten lange nebeneinander existiert hätten.

Die deutschen Handelshäfen Emden, Lübeck, Wismar und Rostock dienten als Umschlagplätze in den Nord- und Ostseeraum. Von hier gelangte das Steinzeug in alle Städte, die in das Vertriebssytem der Hanse einbezogen waren. Zugleich verbreitete sich die Qualitätskeramik von hier auch in die deutschen Küstengebiete.

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   © Andreas Sturm 2003

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